Impressionen zum Vortragsabend

Fotos: Manon von Ikier-Hoppe

Rückblick Vortrag v. 11052015_Schmidt-Tr
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Dr. Stefan Schmidt-Troschke
Dr. Stefan Schmidt-Troschke

 

 

 


 

 

„Irgendwas ist krank

im Gesundheitssystem“

Dr. Stefan Schmidt-Troschke regt Reformen an

 

Lohne. Die Bestandsaufnahme ist ernüchternd: Ein Patient wird im deutschen Gesundheitssystem nach durchschnittlich 18 Sekunden das erste Mal vom Arzt unterbrochen. Ein Besuch im Arztzimmer dauert im Schnitt sechseinhalb Minuten. Und worum es dem Patienten eigentlich geht, davon hat der Mediziner mitunter keinen blassen Schimmer. Mit Fakten und Einschätzungen wie diesen konfrontierte Dr. Stefan Schmidt-Troschke das Publikum im Rudolf Steiner-Kindergarten in Lohne. Der Bundes-Vorsitzende des anthroposophisch orientierten Vereins „Gesundheit aktiv“ brachte seine Bestandsaufnahme des Systems mit einem schlichten Satz auf den Punkt: „Irgendwas ist krank im Gesundheitssystem“.

 

Wieder einmal lockte „Rudis Reihe“ zahlreiche Menschen in den Großen Saal des Kindergartens. Diesmal ging es grundsätzlich zu: Die Besucher erfuhren, woran das bestehende Gesundheitssystem nach Ansicht des Referenten leidet. Die Säulen wie etwa die stationäre und ambulante Betreuung seien nicht miteinander verzahnt, meinte er; es fehle zudem an der Kommunikation zwischen Fach- und Hausärzten. „Die Schnittstellen funktionieren einfach nicht“, so Schmidt-Troschke.

Erstaunen, aber auch bestätigendes Kopfnicken löste das Beispiel aus, das der Referent aus seiner Praxis erzählte. Eine Patientin sei beim Arzt nach sieben Minuten wieder mit einem Rezept für ein Anti-Depressivum herausgekommen. Und draußen sei ihr erst bewusst geworden, dass sie vom bedrückenden Tod der Mutter gar nichts hatte erzählen können.

„Wer von Ihnen ist gesund?“, fragte Dr. Stefan Schmidt-Troschke in den gut gefüllten Großen Saal. Prompt stand Jörg Schröder auf und behauptete lachend: „Ich, ich bin gesund!“ Über so viel Spontanität freuten sich beide so sehr, dass sie sich kurzerhand in den Arm nahmen. Nach dieser Herzlichkeit ging’s ans Definieren: Was ist eigentlich Gesundheit? Und was ist Krankheit? Antworten gab es reichlich aus dem Publikum: Die Einschätzung von Georg Dahlhausen etwa, dass eine Krankheit wie ein Wecker sei. Oder die Ansicht von Christina Meinecke, Gesundheit sei das selbst definierte Vermögen von Leistung und Belastbarkeit. Alle Beispiele zeigten, dass der Gesundheits-Begriff deutlich über das hinausgeht, was die Schulmedizin anbietet. Dr. Stefan Schmidt-Troschke: „Das ‚was‘ und das ‚wie‘ einer Krankheit wird ja noch ganz gut wiedergegeben. Doch wenn es an das ‚woher’ geht, wird es schon dünn. Beim ‚wohin‘ hat das bestehende System keine Antwort“. Dieses „wohin“ einer Krankheit, das sei die Futur-Zwei-Perspektive: „Wenn ich während einer Krise überlege, wie ich aus der Zukunft einmal auf diese zurückblicken werde, dann habe ich viel gewonnen“. Wer also Krankheit als Chance begreife, neue Perspektiven zu gewinnen, aus Erstarrtem auszubrechen und damit eine andere Zukunftsfähigkeit zu gewinnen, der könne eine Antwort auf diese Frage bekommen.

Zum Abschluss stellte der Referent den Begriff „integral“ in den Raum. Weil nämlich das Gesundheitswesen sich aus sich selbst heraus nicht reformieren könne, müssten Patienten und Professionelle das gemeinsam tun. „Das wichtigste während einer Krise ist doch die menschliche Begegnung. Und die findet einfach zu wenig statt.“ Deshalb müsse sich das System hin zu mehr Empathie entwickeln, hin zu einer neuen Kultur des Zuhörens, bei der der Patient eben nicht mehr das Gefühl haben müsse, von draußen zuzugucken anstatt mittendrin zu sein.

Dass es ein solches System bereits gibt, führte Kerstin Lepetit im Anschluss aus. Gerade habe sich in Soest die Gruppierung „Fördergruppe anthroposophische Heilkunst Soest“ (F aHSo) gegründet. „Wir wollen diese neue Medizin nach Soest bringen. Wir wollen gemeinsam mit den Menschen hier ein anthroposophisches Therapeutikum errichten, in dem es Maltherapien, Musiktherapien oder auch die Eurythmie geben soll.“ Die ersten Unterstützer trugen sich nach der Veranstaltung spontan in eine Liste für Interessiere und Mithelfer ein. Wer mehr wissen will: Infos zu „F aHso“ gibt es im Internet unter www.fahso.jimdo.com oder bei Kerstin Lepetit unter fahso@gmx.de und Tel. 02928/9708984.